Harry Heller
Geb.: 1899
Fachgebiet: Innere Medizin
Alija: 1920 / 1934
Harry Heller wurde am 16. März 1899 in Berlin geboren. Nach dem Abitur am Sophiengymnasium absolvierte er ein Medizinstudium an den Universitäten in Berlin und Jena, das er 1923 abschloss. Bis zum 1. April 1933 arbeitete er, zuletzt als Oberarzt, im Städtischen Krankenhaus Friedrichshain in der Abteilung für Innere Medizin unter Prof. Paul Friedrich Richter. In diesen zehn Jahren konnte Heller auf allen Gebieten der Inneren Medizin Erfahrungen sammeln. In Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen, wie etwa der chirurgischen von Dr. Max Marcus, wurde er mit Verwaltungsaufgaben und der Ausbildung von Ärzten und Pflegepersonal vertraut, was ihm später sehr zu Nutzen kommen sollte.
Seit seiner Schulzeit war Harry Heller Zionist. Er sprach Hebräisch und engagierte sich in zionistischen Jugendgruppen wie etwa „Jung Juda“. Dort lernte er nicht nur Gerschom Scholem kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband, sondern auch Erich Brauer und dessen Schwester Grete.
Erich und Grete wanderten beide in den 1920er Jahren nach Palästina aus. Während Erich in Jerusalem blieb, kehrte Grete, die zu den Mitbegründern des Kollektivs Bet Sera gehörte, Ende der 1920er Jahre nach Berlin zurück, um ihren kranken Eltern zu helfen. Dort heiratete sie 1932 Harry Heller.
In seinen letzten drei Jahren in Deutschland arbeitete Heller an einer großen Studie mit Experimenten zu Diabetes, die er als Habilitation einreichen wollte. Dazu sollte es nicht mehr kommen. Mitte März 1933 erhielt er von der Krankenhausleitung die Nachricht, dass er zum 1. April gekündigt sei. Das Ehepaar Heller verließ Deutschland am 30. März und ging zuerst zu einer Verwandten nach Holland. Von dort nahm Harry Heller das Angebot einer postgraduierten Stelle an der Universität Edinburgh an, die ihm nach einem Jahr auch die Möglichkeit der englischen Approbation geboten hätte.
In Edinburgh hörte Heller, dass die Kupat Cholim in Palästina einen Chef-Internisten für ein neues Krankenhaus in Afula suche und beschloss, sich selbst vor Ort zu informieren und vorzustellen. Als er dort ankam war, die Stelle allerdings bereits an Dr. Max Leffkowitz vergeben und Heller kehrte nach Edinburgh zurück. Im März 1934 erreicht ihn ein Brief der Kupat Cholim, er möge sofort nach Tel Aviv kommen. Obwohl Grete schwanger war, brach das Ehepaar sofort auf und damit verzichtete Harry Heller auch auf das Examen in Edinburg. Sein Kollege Dr. Erwin Rabau hinterlegte die für die Visaerteilung geforderten 1.000 Pfund bei der britischen Mandatsregierung. Über Paris und Marseilles gelangte das Paar per Schiff nach Haifa.
Harry Heller bekam in Tel Aviv Anstellung bei der Kupat Cholim in einer der zentralen Praxen. Im Juli wurde im privaten Krankenhaus von Dr. Felix Danzinger der erste Sohn des Ehepaars Heller, Yoram, geboren. Dr. Heller wurde bald zum Chefarzt für die Kupat Cholim Tel Aviv ernannt. Im Herbst 1934 vertrat er Dr. Leffkowitz für einige Zeit in Afula.
In der Zwischenzeit plante die Kupat Cholim ein neues Krankenhaus in Petach Tikwa, das Beilinson Krankenhaus, das 1936 seinen Betrieb aufnahm. Harry Heller wurde die Stelle des Direktors und Chefarztes angeboten und er war bereits in der Planungsphase beteiligt. Trotz einiger Mängel des Rohbaus war er optimistisch und ging engagiert an den Aufbau des Krankenhausbetriebs. Unter den führenden Ärzten konnte Heller einige Posten mit deutschen Ärzten besetzen, darunter der Gynäkologe Dr. Erwin Rabau, der Röntgenologe Dr. Hans Salinger, der Pathologe Dr. Julian Casper und der Chirurg Dr. Paul Nathan. Später wurden Wohnungen für Ärzte, Schwestern und deren Familien auf dem Krankenhausgelände errichtet. Familie Heller, deren Sohn Eri 1938 geboren wurde, lebte dort in enger Nachbarschaft mit den anderen Arzt-Familien.
Am Beilinson Krankenhaus veranlasste der in modernsten Techniken ausgebildete Arzt u.a. die Einführung von endoskopischen Untersuchungsmethoden in Israel, wie etwa die Bronchoskopie und die zerebrale Angiografie.
Dr. Heller führte über die Jahre hinweg konstant Auseinandersetzungen mit der Kupat Cholim über die Administration und Ausrüstung, aber auch um Gehalt und die Möglichkeit, eine Privatpraxis eröffnen zu können. Grete beschrieb in ihrem Tagebuch die Beziehungen als sehr ungut, sie seien von der Leitung der Kupat Cholim nicht verwöhnt worden.
Diese anhaltenden Zwistigkeiten eskalierten im Oktober 1947, als Harry Heller sowie acht weitere Abteilungsleiter, darunter auch Dr. Chaim Sheba, an die Kupat Cholim ein Memorandum richteten. Sie stellten die schwierigen Arbeitsbedingungen dar, die sie aufgrund des Krieges über ein Jahrzehnt stillschweigend ertragen hätten. Nun müssten sie aber in drei wesentlichen Punkten Änderungen fordern. Die Ärzte beanspruchten das Recht, außerhalb des Krankenhausgeländes wohnen zu können, Gehaltserhöhungen mit Anpassung an die Lebenshaltungskosten sowie die Genehmigung, Privatpraxen zu unterhalten zugestanden zu bekommen. Die Verhandlungen verliefen ergebnislos und führten schließlich zur Kündigung von Dr. Rabau und Dr. Sheba. Letzterer wurde von David Ben Gurion beauftragt, einen medizinischen Dienst für die Hagana aufzubauen. Die meisten der revoltierenden Kollegen vom Beilinson Krankenhaus folgten Chaim Sheba an das neu gegründete Tel haSchomer Krankenhaus. Harry Heller konnte Beilinson erst 1950 verlassen und wurde Chefarzt in Tel haSchomer – eine Position, die er bis zu seinem Tod bekleidete. Hier konnte Dr. Heller seine klinischen Studien fortsetzen, was ihm durch die administrativen Aufgaben am Beilinson nicht möglich war, und er leistete u. a. bedeutende Beiträge zur Erforschung verschiedener Herzkrankheiten, Diabetes insipidus und Hitzeschlag. Seine Studien zu Familiärem Mittelmeerfieber (FMF) erlangten internationale Anerkennung.
Ab 1956 lehrte Heller als Privatdozent an der Hebräischen Universität Jerusalem. 1965 wurde er schließlich an die Universität Tel Aviv berufen und leitete die medizinische Fakultät. Im gleichen Jahr wurde Heller mit dem „Henrietta Szold Prize for Medicine and Hygiene“ der Stadt Tel Aviv ausgezeichnet. Am Sheba Tel haSchomer Krankenhaus, wie es heute heißt, wurde das renommierte „Heller Institute of Medical Research“ nach ihm benannt.
Harry Heller verstarb am 3. März 1967 in Chofit nördlich von Netanja. Grete starb 1982 in den USA, zwei Jahre nachdem ihr älterer Sohn Yoram einem Gehirntumor erlegen war. Eri Heller lebt heute im US-Bundesstaat Kalifornien.
Fotos:
Harry und Grete Heller, 1965
Harry Heller (sitzend) bei der Visite im Beilinson Krankenhaus
© Privatarchiv Eri Heller
Quellen:
Tagebuch von Grete Heller, Bewerbungsschreiben von Harry Heller 1933,
Nachruf von Joseph Gafni.
Nachlass Harry Heller, Privatarchiv Eri Heller, Santa Monica (CA).
Kategorie wählen
- Fachgebiet (71)
- Allgemeinmedizin (20)
- Chirurgie (7)
- Dermatologie (3)
- Gynäkologie (9)
- HNO (1)
- Homöopathie (1)
- Hygiene (1)
- Innere Medizin (19)
- Kardiologie (1)
- Kinderheilkunde (18)
- Neurologie (3)
- Orthopädie (2)
- Pathologie (3)
- Physiologie (1)
- Psychiatrie (2)
- Psychoanalyse (3)
- Radiologie (2)
- Urologie (1)
- Virologie (1)
- Herkunftsregion (71)
- Bayern (10)
- Berlin (12)
- Norddeutschland (5)
- Nordostdeutschland (12)
- Ostpreußen (6)
- Sachsen (1)
- Schlesien (6)
- Südwestdeutschland (13)
- Westdeutschland (7)
- Fachgebiet (71)