Geb.: 1892 in Rees am Niederrhein
Fachgebiet: Chirurgie
Alija: 1934

Max Marcus wurde am 30. Oktober 1892 in der an der deutsch-niederländischen Grenze gelegenen Kleinstadt Rees geboren. Nach der Schulausbildung begann er ein Medizinstudium und diente im Ersten Weltkrieg als Stabsarzt. Danach setzte er sein Studium in München und Bonn fort. Marcus war schon in Jugendjahren zionistisch eingestellt und gehörte in München der jüdischen Studentenverbindung „Jordania“ an. Nach Niederschlagung der Räterepublik in Bayern wurde er für kurze Zeit verhaftet.

1920 begann Marcus am Städtischen Krankenhaus Moabit in Berlin zu arbeiten, zunächst in der Pathologie, Inneren Medizin und schließlich seit 1922 in der Chirurgischen Abteilung bei Moritz Borchardt. Marcus bewies sich schnell als ausgezeichneter Operateur und spezialisierte sich auf Bauch- und Gefäßchirurgie. 1929 wurde er zum Oberarzt ernannt.

An seine Fähigkeiten erinnerte sich eine ehemalige Krankenschwester von Moabit: „Wir hatten damals den Oberarzt Marcus. Der brauchte bloß auf den Bauch zu tippen, dann wusste er schon, was die Leute hatten. Da brauchten keine Blutbilder gemacht zu werden, was heute alles üblich ist. Der tippte nur drauf, dann wusste er, entweder Blinddarm, Galle oder Nierensache. Viele Patienten kamen ja schon mit dem Wunsch rein, nur von Oberarzt Dr. Marcus wollten sie operiert werden. Er war sehr gewissenhaft, kam sehr oft zur Visite und hat die Verbände selbst gemacht.“

Ab 1930 lehrte Marcus an der Universität Berlin, 1932 erfolgte die Habilitation. In Friedrichshain wurde er für ein halbes Jahr der bis dahin jüngste Chefarzt Berlins. Professor Ferdinand Sauerbruch bezeichnete Marcus als „Hoffnung der deutschen Chirurgie“.

Diese Hoffnung währte jedoch nicht lange. Am 29.4.1933 wurde Marcus entlassen und genötigt, seine Diensträume innerhalb weniger Stunden zu verlassen. Seine Arbeitsstätte wurde in „Horst-Wessel-Krankenhaus“ umbenannt.

Marcus entschloss sich zur Auswanderung nach Palästina und nahm die Einladung von Tel Avivs Bürgermeister Meir Dizengoff an, der ihm die Leitung der chirurgischen Abteilung im städtischen Hadassah Krankenhaus angeboten hatte. Der Schritt fiel ihm nicht leicht. Von unterwegs schrieb er: „Ich fühle mich nicht gut, seitdem ich aus Deutschland fort bin. Der Bruch ist sehr schroff, sehr einschneidend. Ich habe wirklich – ich weiß jetzt, was das ist – eine Heimat verloren in Landschaft, Menschen, Klima, Sprache – kurz allem, was das Leben eines überhaupt empfindenden Menschen ausmacht“.

Marcus’ Antrittsbesuch im Juni 1933 fiel genau auf jenen Tag, an dem Chaim Arlosoroff in Tel Aviv angeschossen wurde. Julius Kleeberg, der zufällig vor Ort war, ließ Marcus, den er aus Deutschland kannte, zu der Operation rufen, bei der vergeblich versucht wurde, das Leben des zionistischen Politikers zu retten.

Die Einwanderung von Max Marcus war für die Chirurgie in Erez Israel ein Meilenstein. Er war zu dieser Zeit einer der wenigen qualifizierten Chirurgen im Land. Unzufrieden mit der Ausrüstung vor Ort, erwarb Marcus für seine Abteilung in Tel Aviv modernes Instrumentarium in Deutschland und bezahlte es aus eigener Tasche. Der Neuanfang war nicht einfach: „Ein Land im Aufbau, ohne die Tradition alter Bibliotheken hat im Anfang andere Sorgen und ich musste mich damit abfinden, meine wissenschaftliche Arbeit abzubrechen“, schrieb Marcus 1961.

Zwischen 1940 und 1948 arbeitete er in einem Untergrundlazarett und versorgte Mitglieder der Hagana. Er behandelte auch arabische Patienten und war für sie, genau wie für alle seine Patienten Tag und Nacht im Einsatz. Später lehrte er an der Hebräischen Universität Jerusalem und bildete Generationen von erfolgreichen Chirurgen aus. Eine Rückkehr nach Deutschland schloss er aus, auch nachdem ihm Sauerbruch 1947 einen Lehrstuhl angeboten hatte.

Seiner deutschen Herkunft blieb er dennoch ein Leben lang treu. An vielen Krankenhäusern des Landes wurde Deutsch bald zur inoffiziellen Umgangssprache, da eine Vielzahl der Ärzte aus Deutschland stammte. Auch Marcus sprach mit Kollegen, Schwestern und Patienten Deutsch, was Anlass zu einem ausgedehnten Sprachenstreit gab. Er wurde beschuldigt, deutschsprechende Assistenten zu bevorzugen, einige Ärzte warfen ihm sogar eine „Germanisierung der behandelten Kinder“ vor. Die heftige Diskussion konnte erst beigelegt werden, nachdem die Kritiker bei Marcus schriftlich um Entschuldigung nachgesucht hatten.

Marcus war Mitbegründer des privaten Krankenhauses Assuta und war dort auch nach seiner Pensionierung am Hadassah Krankenhaus Tel Aviv weiter tätig. Max Marcus starb 1983 kurz vor seinem 91. Geburtstag.

Quellen:
Shimon Pines, Prof. Markus geht in Pension, Dawar v. 26.6.1964 (hebr.).
Tidhar, D. (1965). Entsiklopedyah le-halutse ha-yishuv u-vonav (Vol. 14, p. 4438), http://www.tidhar.tourolib.org/tidhar/view/14/4438 (hebr.).
Christian Pross/Rolf Winau (Hg.), Nicht mißhandeln. Das Krankenhaus Moabit 1920-1933. Ein Zentrum jüdischer Ärzte in Berlin. 1933-1945. Verfolgung – Widerstand – Zerstörung, Berlin 1984.
Doron Niederland, Deutsche Ärzte-Emigration und gesundheitspolitische Entwicklungen in „Eretz Israel“, in: Medizinhistorisches Journal, 20 (1985).