Geb.: 1899 in St. Wendel
Fachgebiet: Chirurgie
Alija: 1934

Paul Nathan wurde 1899 in St. Wendel im Saarland geboren. Die Familie war säkular, der Vater Kaufmann. Als Paul vier Jahre alt war, zogen die Nathans nach Kleve. Nach dem Abitur wurde Paul zum Militär eingezogen, wegen seiner starken Kurzsichtigkeit kam er nicht zur kämpfenden Truppe, sondern diente im Ersten Weltkrieg als Französisch-Übersetzer unter einem adeligen Offizier.

Nach dem Krieg begann Nathan ein Medizinstudium in Bonn, das er 1921 in München abschloss. Dort arbeitete er zunächst bei dem berühmten Internisten Prof. Friedrich von Müller und im Anschluss ein Jahr bei dem jüdischen Pathologen Siegfried Oberndorfer, wo er begann, sich für die Chirurgie zu interessieren. Nathan erhielt Anstellung bei Prof. Erich von Redwitz, der ihm nach sechs Monaten riet, als Jude Bayern zu verlassen und nach Berlin zu gehen.

Nathan folgte diesem Rat und blieb neun Jahre an der chirurgischen Abteilung im Krankenhaus Friedrichshain, unterbrochen von einer eineinhalbjährigen Pause, in der er am jüdischen Krankenhaus Köln arbeitete. In Friedrichshain lernte Nathan Harry Heller kennen und kam durch ihn erstmals mit dem Zionismus in Berührung. Ab 1932 fuhr er dreimal nach Palästina, sowohl um sich das Land anzusehen, wie auch um sich auf eine Stelle zu bewerben. Zunächst fuhr er auf Anraten Harry Hellers nach Tel Aviv und begann als Chirurg am Hadassah Krankenhaus der Stadt. Die im Vergleich zu Berlin primitiven Arbeitsbedingungen erschwerten ihm den Start, sodass er nach einer mehrwöchigen Probezeit nach Deutschland zurückkehrte. Die freie Stelle wurde schließlich mit Dr. Max Marcus besetzt.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verließ Paul Nathan, diesmal überstürzt, Berlin, nachdem er zuvor von einem Sanitäter gewarnt worden war. Nur zwei Tage nach seiner Flucht wollte die Gestapo ihn verhaften. Das Hospital Friedrichshain wurde im Oktober 1933 in Horst-Wessel-Krankenhaus umbenannt.

Nathan war erst zu seinen Eltern nach Kleve, von dort nach Holland und schließlich nach Edinburgh geflüchtet, wo er gemeinsam mit Harry Heller das schottische Ärzte-Diplom erwerben wollte, was ihm die Approbation ermöglichen würde. Während Heller bereits früher nach Palästina ging, schloss Nathan das Studium in Schottland ab. 1934 emigrierte auch er nach Palästina.

Nach kurzer Anstellung in Haifa begann Nathan 1935 in der Zentralpraxis der Kupat Cholim der Hafenstadt zu arbeiten. Von dort wurde er anschließend an das neu gegründete Beilinson Krankenhaus unter Leitung von Harry Heller als Chefarzt der chirurgischen Abteilung berufen, wo er 33 Jahre lang arbeitete.

Dr. Nathan und Dr. Heller

Im Beilinson Hospital lernte Nathan auch Chawa Kallner kennen, die er 1936 heiratete. Das Ehepaar hatte zwei Söhne. Zwischen 1936 und 1939 behandelte Nathan zahlreiche britische Soldaten, was es ihm ermöglichte, auch seine Eltern nach Erez Israel zu holen.

Dr. Paul Nathan bildete Generationen von erfolgreichen Chirurgen aus und war im Krankenhaus als angenehm zurückhaltender und vielseitig interessierter Kollege bekannt. Neben Deutsch und Hebräisch sprach er fließend Englisch, Französisch und Griechisch und pflegte eine große Bibliothek zu Hause. Im Krankenhaus organisierte er für die Mitarbeiter gemeinsamen Musikabende, die er akribisch vorbereitete und organisierte.

1968 ging Nathan in Pension und widmete sich seitdem seinen zahlreichen kulturellen Interessen. Er starb 1988 in Tel Aviv.

Foto:
Dr. Nathan (links) und Dr. Heller im Gespräch, 1952, © Privatarchiv Eri Heller

Quellen:
Paul Nathan, Olamo schel pensioner, in: Meida la-rofe, Dez. 1976 (hebr.).
Nissim Levy/Jael Levy, Rofeiha schel Erez-Israel 1799-1948, Haifa 2008 (hebr.).
Ziona Rabau, Be-chasara le-Tel Aviv. Sichronot, Tel Aviv 1982 (hebr.).