Geb.: 1897 in Charlottenburg
Fachgebiet: Hygieniker
Alija: 1935

Franz Karl Meyer-Brodnitz wurde am 16. März 1897 in der damals noch selbstständigen Stadt Charlottenburg als Sohn des Bankiers William Meyer und seiner Frau Elise Brodnitz geboren. Er und seine drei Geschwister verbrachten eine sorgenfreie Kindheit und Jugend vor den Toren Berlins. Die Eltern sorgten für eine solide Schulausbildung.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich Franz Karl im Alter von 17 Jahren als Oberprimaner freiwillig zum Wehrdienst. Bei Einsätzen an der West- und später an der Ostfront wurde er verwundet und absolvierte nach seiner Genesung zunächst eine „Notreifeprüfung“, um sich dann an der Berliner Universität zum Medizinstudium einzuschreiben. Der Student durchlief eine Sanitätsausbildung und war rund ein Jahr in einem Lazarett tätig. Ab Herbst 1916 diente er bis Kriegsende als Sanitätsunteroffizier an der Westfront und wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse (EK II) ausgezeichnet.

Der junge Mann nahm sein Medizinstudium wieder auf und besuchte die Universitäten in Rostock, Freiburg und Berlin. 1922 legte er das Staatsexamen ab, durchlief an der Charité seine Zeit als Medizinalpraktikant und erhielt im Sommer 1923 die Approbation. Noch im selben Jahr promovierte Franz Karl Meyer-Brodnitz zum Thema „Ueber die Ausscheidung des Radiothoriums durch den Harn und den Magendarmkanal mit besonderer Berücksichtigung der Pankreasdrüse“.

Mutter Elise und Ehefrau Vilma vor der Praxis von Dr. Meyer-BrodnitzBedingt durch seine Kriegserfahrungen hegte der junge Arzt starke Sympathie für den Pazifismus und wandte sich der Sozialdemokratie zu. Er beschäftigte sich intensiv mit Gesundheits- und Sozialpolitik. Da nach seiner Ansicht die ausreichende und effektive medizinische Versorgung der Arbeiterklasse nur durch Schaffung von Ambulatorien und Polikliniken zu erreichen war, nahm er ab Sommer 1924 eine ärztliche Tätigkeit in einem Ambulatorium der Krankenkassen Berlins auf. Neben seiner diagnostischen und therapeutischen Arbeit befasste sich Dr. Meyer-Brodnitz mit der Erfassung von beruflich bedingten Erkrankungen. Ab 1927 forschte und lehrte der Arzt im Dienste des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaft Bundes (ADGB) Gewerbehygiene und Arbeitsschutz und setzte sich für bessere Arbeitsbedingungen ein. Meyer-Brodnitz war auch als kassenärztlicher Gutachter und Vertrauensarzt tätig. Mit der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten begann ein langer und letztlich aussichtsloser Kampf um seine Zulassung. Mehrfach wurde ihm diese entzogen und auf Beschwerde, bis hin zum Reichsarbeiterministerium, wegen seiner Kriegsteilnahme wieder erteilt. Nachdem ihm 1934 seine Wohnung mit den Praxisräumen gekündigt wurde, sah der Mediziner keine Zukunft mehr in Deutschland. Mit seiner Frau Vilma, die er kurz vor der Emigration geheiratet hatte, verließ er im November 1935 Berlin in Richtung Palästina.

Franz Karl Meyer-Brodnitz (1937)Obwohl sich Dr. Meyer-Brodnitz bewusst war, dass er seiner Heimat wahrscheinlich für immer den Rücken kehrte – er nahm auch einen großen Teil seines Hausstandes mit – hoffte der deutsch-jüdische Arzt, dass er doch eines Tages zurückkehren könne, wie der Passus in dem Abmeldeschreiben an die Kassenärztlichen Vereinigung, seine Zulassung als „vorläufig ruhend anzusehen“, deutlich dokumentiert. Nachdem Vilma und Franz Karl zunächst bei Verwandten in Tel Aviv Unterschlupf fanden, gelang es Dr. Meyer-Brodnitz eine der begehrten Arzt-Lizenzen zu erhalten. Er eröffnete in Haifa eine private Hausarztpraxis und versuchte in der nahezu unbekannten Gewerbehygiene (Arbeitsmedizin) in Palästina Fuß zu fassen. Ende 1936 entwickelte er einen Plan „Zur Nutzbarmachung ärztlicher Kräfte für den Gesundheitsschutz in der Industrie“ und forderte „Unfallsprechstunden“ in den Industriebezirken Haifa und Tel Aviv. Zudem suchte er Kontakt zu Benno Chajot, einem ebenfalls aus Berlin geflohenen Mediziner und Sozialhygieniker und bewarb sich nach dessen frühem Tod vergeblich auf seine Stelle bei der Kupat Cholim. Gleichzeitig gründete Meyer-Brodnitz mit weiteren jüdischen Ärzten wie etwa Elias Auerbach oder Bruno Ostrowski den Verein „Orbis Orientalis“, mit dem sie sich solidarisch vereint den Problemen in Palästina stellen wollten. Trotz des aktiven „networking“ kämpfte Franz Karl Meyer-Brodnitz mit großen existenziellen Nöten. Seine Ersparnisse schmolzen dahin. Viele seiner Privatpatienten, darunter auch der Literat Arnold Zweig, waren gleichfalls deutsche Emigranten, die oft mittellos waren und ihre Rechnung nicht begleichen konnten. „Ja, und wenn man nicht zahlen konnte, hat man eben nicht bezahlt. Davon zu leben, war nicht“, erinnert sich der erstgeborene Sohn Michael rückblickend. Dr. Meyer-Brodnitz hatte zwei Söhne, den 1936 geborenen Michael und den vier Jahre jüngeren Rafael. Franz Karl konnte auch noch seine 72-jährige Mutter Elise mittels eines Elternzertifikats nachholen und sie im „Achusa Elternheim“ in Haifa unterbringen.

Dr. Meyer-Brodnitz in seiner Praxis in HaifaErst 1942 gelang es Dr. Meyer-Brodnitz, seine sozialmedizinischen Vorstellungen in der Kommission für Gewerbe- und Sozialhygiene der Gewerkschaft „Histadrut“ zu Gehör zu bringen. Seine erste Aufgabe war es, die Situation in einigen Haifaer Fabriken unter arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten zu untersuchen. Doch zu diesem Zeitpunkt war er schon schwer erkrankt. „Als er von der Besichtigung zurückkam, hatte er einen Anfall“, erinnerte sich Ehefrau Vilma. Sein Gesundheitszustand war besorgniserregend, er hatte Schmerzen in der Brust und hustete Blut. „Es war für ihn zu spät!“ Meyer-Brodnitz wurde zur Beobachtung ins Beilison-Krankenhaus in Petach Tikwa gebracht. Diagnose: Lungenkrebs. Vier Monate später, im März 1943, starb Dr. Franz Karl Meyer-Brodnitz im Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem.

Fotos:
Mutter Elise und Ehefrau Vilma vor der Praxis von Dr. Meyer-Brodnitz.
Franz Karl Meyer-Brodnitz (1937).
Dr. Meyer-Brodnitz in seiner Praxis in Haifa.
Fotos: © Michael Meyer-Brodnitz

Quellen:
Gine Elsner/Verena Steinecke, „Ja, daran hing sein Herz…“. Der Gewerbehygieniker und engagierte Gewerkschaftler Franz Karl Meyer-Brodnitz (1897–1943), Hamburg 2013.
Nissim Levy/Jael Levy, Rofeiha schel Erez-Israel 1799–1948, Haifa 2008 (hebr.).