Geb.: 1886 in Straßburg
Fachgebiet: Kinder- und Frauenheilkunde
Alija: 1933

Anna Schützer wurde am 3. September 1886 im damals zum Deutschen Reich gehörigen Straßburg als Tochter des Kaufmanns Leon Schützer und seiner Frau Rosa geboren. Nach dem Besuch der örtlichen städtischen Höheren Töchterschule bestand sie 1905 als Externe am Realgymnasium zu Elberfeld die Reifeprüfung. Umgehend nahm Anna Schützer ein Medizinstudium an der Universität Straßburg auf, das sie 1910 mit dem ärztlichen Staatsexamen abschloss. Als Praktikantin arbeitete die junge Ärztin ein Jahr lang an der Kinderklink zu Straßburg und promovierte „Über cerebrale Herdsymptome ohne anatomischen Befund“. 1911 erhielt sie ihren Doktortitel sowie die Approbation. Im Anschluss belegte Dr. Schützer als Assistenzärztin an der Hebammenschule in Straßburg einen Spezialkurs, um sich zusätzliche Kenntnisse auf dem Gebiet der Säuglings- und Kinderpflege anzueignen.

1914 ging Anna Schützer nach Berlin und ließ sich dort als Kinderärztin nieder; fünf Jahre später erfolgte der Umzug nach Nürnberg, wo sie in der öffentlichen Gesundheitsvorsorge arbeitete und eine eigene Praxis als Kinderärztin eröffnete. Zeitweise war die Medizinerin auch als Vertrauensärztin des Städtischen Wohlfahrtsamtes der Stadt Nürnberg tätig. Im März 1933 wurde Dr. Schützer fristlos entlassen. Persönliche Bedrohungen durch die Nationalsozialisten sowie die Nachricht von der Zwangsabsetzung des liberalen Oberbürgermeisters der Stadt Nürnberg, Hermann Luppe, veranlassten die Ärztin zur Flucht nach Palästina. Nach Aussagen ihrer Schwester Frieda, die 1936 nach Erez Israel einwanderte, „verließ sie Nürnberg fluchtartig unter Hinterlassung der Wohnungseinrichtung, des Autos und des Instrumentariums der Praxis. Sie kam praktisch nur mit einem kleinen Koffer hier (in Palästina) an.“

Anna Schützer erhielt eine der begehrten Arztlizenzen, sodass sie in Jerusalem eine Praxis als Frauen- und Kinderärztin eröffnen konnte. Doch aufgrund des ärztlichen Überangebotes reichten die Einnahmen nicht aus und Dr. Schützer musste sich mit Nachtwachen und anderen Arbeiten, die normalerweise von Krankenschwestern ausgeführt wurden, ihren Lebensunterhalt verdienen. Da sich die wirtschaftliche Situation nicht verbesserte, nahm die deutsch-jüdische Ärztin 1945 eine Stelle am Jüdischen Krankenhaus in Bagdad an. Nach der Staatsgründung Israels und dem damit verbundenen Unabhängigkeitskrieg wurde sie von den irakischen Behörden verhaftet und schwer misshandelt. Erst Anfang 1950 wurde sie aus dem Gefängnis entlassen und durfte nach Italien ausreisen, von wo aus sie nach Jerusalem weiterfuhr. Nach einer Erholungsphase arbeitete Anna Schützer als Ärztin in einem Altersheim der Organisation Malben in Pardes Hanna, unweit der Stadt Hadera. Malben war 1949 in Israel von der US-amerikanischen Wohlfahrtsorganisation American Jewish Joint Distribution Committee gegründet worden, um Kranke, Behinderte und gebrechliche Einwanderer, insbesondere Überlebende der Shoa, in ihren Heimen, Hospitälern und Sanatorien zu versorgen.

Nicht zuletzt aufgrund der brutalen Haftbedingungen in Bagdad hatte sich Dr. Schützer u. a. eine Angina Pectoris zugezogen. Im März 1952 verstarb sie im Alter von 65 Jahren an einem Herzinfarkt.

Quellen:
Bernd Höffken, Schicksale jüdischer Ärzte aus Nürnberg nach 1933, Berlin 2013.
Lebenslauf aus der Dissertation „Über cerebrale Herdsymptome ohne anatomischen Befund“, Universität Straßburg 1911.
Ärztinnen im Kaiserreich, Eintrag: Anna Schützer, http://geschichte.charite.de/aerztinnen/