Geb.: 1900 in Goldap (Ostpreußen)
Fachgebiet: Kinderheilkunde
Alija: 1933

Der spätere Kinderarzt und Politiker wurde am 6. Juli 1900 in Goldap (Ostpreußen) geboren. Bereits im Elternhaus erhielt er eine zionistisch ausgerichtete Erziehung. Nach der Schule studierte er Medizin in Königsberg und Tübingen und erhielt 1924 seine Approbation. Nachdem er an der Universität Königsberg erfolgreich promoviert hatte, arbeitete er ab 1926 in Berlin als Kinderarzt. Schon als Student hatte sich Kanowitz im Kartell Jüdischer Verbindungen (KJV), einer Vereinigung jüdisch-zionistischer Akademiker, und in der Jugendorganisation Blau Weiß engagiert. Später übernahm er den Posten eines Sekretärs in der Zionistischen Vereinigung für Deutschland (ZvfD) und schrieb für ihr Verbandsorgan Jüdische Rundschau. Daneben wurde der junge Arzt in das Kuratorium der Hachschara „Gut Winkel“ berufen, einer landwirtschaftlichen Ausbildungsstätte für jugendliche Palästinasiedler in der Nähe von Berlin.

1933 emigrierte Kanowitz aus Deutschland und ließ sich in Tel Aviv nieder. Zunächst war er als Arzt bei der Kupat Cholim beschäftigt, betätigte sich jedoch weiterhin politisch und gehörte zu den Initiatoren der Alija Chadascha, einer von deutschen Einwanderern gegründeten Partei. Auf Einladung der Zionistischen Ortsgruppe Berlin war Siegfried Kanowitz im Frühjahr 1935 noch einmal in die deutsche Hauptstadt gereist und forderte auf einer Veranstaltung am 7. März seine Zuhörer unmissverständlich zur sofortigen Einwanderung nach Palästina auf: „Die Freunde im deutsch-jüdischen Lager müssen wissen, dass ihre Zeit abgelaufen ist.“

Im den 1940er Jahren eröffnete Kanowitz in Tel Aviv eine Praxis als Kinderarzt, später lehrte er Entwicklungspsychologie an der Hebräischen Universität Jerusalem, war in der Lehrerausbildung tätig und wurde Vizepräsident der Israeli Medical Association. Für zwei Jahre, von 1958 bis 1960 saß Kanowitz für die Progressive Partei in der Knesset, dem israelischen Parlament. Der Mediziner brachte ein Gesetz gegen Lärm und Luftverschmutzung auf den Weg: Ohne messbares Ergebnis! Vielen Politikern ist der Begriff daher immer noch geläufig. Heute wird das Wort „Kanowitz-Gesetz“ als Synonym für ein gutes, sinnvolles, aber nicht realisierbares Gesetz gebraucht. Die Geschichte dieser erfolglosen Vorschrift steht für die Geschichte vieler Jeckes: Sie hatten die richtigen Ideen, konnten sie in Israel aber nicht realisieren. Siegfried Schimon Kanowitz verstarb 1961 in Tel Aviv.

Quellen:
Avraham Barkai. Wehr Dich! Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, München 2002.
Rebecca Schwoch, Berliner jüdische Kassenärzte und ihr Schicksal im Nationalsozialismus, Berlin 2009.
Tom Segev, Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung, Reinbek 1995.
Eduard Seidler, Jüdische Kinderärzte 1933–1945. Entrechtet. Geflohen. Ermordet, Freiburg 2007.
D. Tidhar, Entsiklopedyah le-halutse ha-yishuv u-vonav (Vol. 12, p. 4068, 1962). http://www.tidhar.tourolib.org/tidhar/view/12/4068 (hebr.)
Jüdische Rundschau, 5. Mai 1931.