Geb.: 1897 als Friedrich A. Friedländer in Berlin
Fachgebiet: Allgemeinmedizin
Alija: 1934

„Ich heiße heute Dr. Peretz Tur-Shalom“, damit begann der lange Zeit für die israelische Arbeiterkrankenkasse tätige deutsch-jüdische Arzt seinen Lebenslauf, den er als hochbetagter Rentner verfasste, „wurde jedoch als Friedrich A. Friedländer in Berlin am 7. Dezember 1897 geboren“.

Friedländer erblickte als Kind des Apothekers Max Friedländer und seiner Ehefrau Adele im Berliner Stadtteil Lichtenrade das Licht der Welt und wuchs in Charlottenburg auf. Zunächst erhielt er Privatunterricht, später ging er auf das Kaiser-Friedrich-Gymnasium, wo er 1915 die Reifeprüfung ablegte und anschließend Medizin und Chemie studierte. 1917 wurde der junge Medizinstudent als Sanitäter zum Kriegsdienst eingezogen. Im Januar 1919 erhielt Friedländer seine offiziellen Entlassungspapiere und konnte sein Studium wieder aufnehmen. Schon ein Jahr später legte er sein Staatsexamen ab und erhielt 1920 seine Approbation und Promotion. „Es wurden damals für die Kriegsteilnehmer Zwischensemester eingerichtet, sodass man in 13 Monaten statt in zwei Jahren vier Semester absolvieren konnte“, erklärt der Mediziner im Rückblick die kurze Studienzeit. Seine ersten Berufserfahrungen machte Friedländer als Assistenzarzt am Rudolf-Virchow-Krankenhaus. Aufgrund einer Erkrankung seines Vaters und der damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit war der junge Arzt gezwungen, zum Lebensunterhalt seiner Eltern beizutragen. Er gab seine schlecht bezahlte Stelle an der Klinik auf und verdingte sich von 1922 bis 1926 als ungelernte Hilfskraft in einer Bank.

Obwohl die Bank 1926 Konkurs anmelden musste, hatte Friedländer Glück, da er im selben Jahr seine Kassenzulassung erhielt. Dadurch konnte er als praktischer Arzt in einem Ambulatorium der Berliner Krankenkassen tätig werden und den Aufbau einer eigenen Praxis vorantreiben. Als aktives Mitglied in der SPD und im Verein sozialistischer Ärzte verlor Friedländer im Juli 1933 seine Kassenzulassung. Wegen seiner politischen Gesinnung fanden häufig Hausdurchsuchungen statt und der Arzt war schweren Repressalien ausgesetzt. Im Sommer 1933 flüchtete Friedländer daher mit seiner hochschwangeren Frau nach Prag und konnte nach kurzem Aufenthalt mit einem „Kapitalisten-Zertifikat“ 1934 nach Tel Aviv reisen. Dieses Visum stellten die britischen Behörden beim Nachweis von mindestens 1.000 englischen Pfund aus.

„Da ich zunächst nicht als Arzt arbeiten durfte, weil mein deutsches Studium nicht anerkannt wurde, arbeitete ich in einer Tischlerei“, erinnert sich Friedländer. Aber auch nach der Anerkennung seines Ärzte-Diploms konnte er nicht als Mediziner arbeiten: „Es gab zuviele Ärzte!“ Friedländer nutzte die Zeit und lernte intensiv Hebräisch. Aufgrund einer Empfehlung eines deutschen SPD-Funktionärs erhielt er ab 1935 eine Viertelstelle für die Region Herzlija sowie die Erlaubnis, in seinem Wohnhaus eine Privatpraxis zu errichten. Um Hausbesuche abstatten zu können, stellte ihm die Krankenkasse Kupat Cholim einen großen „zypriotischen Esel“ zur Verfügung. Von 1942 bis 1946 diente Friedländer als Soldat in der britischen Armee. Anschließend übernahm er eine Halbtagsstelle als Arzt im Kibbuz En Gev am See Genezareth. 1951 legte er seinen deutschen Namen ab und nannte sich Peretz Tur-Shalom. Von 1952 bis zur seiner Pensionierung 1963 stellte die Arbeiterkrankenkasse Tur-Shalom als Vollzeitkraft für die Region Rechovot an. Er starb im Jahr 1989.

Quellen:
Lebenslauf von Dr. med. Peretz Tur-Shalom, abgedruckt in: Stephan Leibfrei/Florian Tennstedt (Hg.), Die Auswirkung der nationalsozialistischen Machtergreifung auf die Krankenkassenverwaltungen und die Kassenärzte, Bremen 1980.
Nissim Levy/Jael Levy: Rofeiha schel Erez-Israel 1799-1948, Haifa 2008 (hebr.).