Geb.: 1894 in Bösingfeld (Lippe)
Fachgebiet: Pathologie, Innere Medizin
Alija: 1930

Julius Kleeberg kam in der lippischen Provinz am 10. Juli 1894 zur Welt. Der Vater, Wilhelm Kleeberg, ein gut situierter Kaufmann, betrieb einen Steinbruch und eine Ziegelei und war Stadtverordneter in Salzuflen. 1908 übernahm er die Leitung einer Getreidehandlung und zog mit seiner Frau und den beiden Kindern nach Düsseldorf. Hier besuchte Julius das Gymnasium und erhielt jüdische Religionslehre von Rabbiner Leo Baeck. Nach dem Abitur nahm Kleeberg in Heidelberg 1913 sein Medizinstudium auf. Durch den ersten Weltkrieg bedingt, musste er seine Ausbildung unterbrechen und als Unterarzt in einem Lazarett Wehrdienst leisten. Da er in Kriegsgefangenschaft geriet, konnte er das Studium der Pathologie und Anatomie an der Universität in Düsseldorf erst wieder ab 1919 fortsetzen und eine Jahr später mit der Promotion abschließen.

Da sein medizinisches Interesse der Erforschung von Infektionskrankheiten galt, arbeitete er auf diesem Gebiet zunächst an den Universitäten München und Düsseldorf. Aufgrund massiver antisemitischer Anfeindungen wechselte Kleeberg an das Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin und später an die Medizinische Fakultät der Universität Frankfurt. Auf Vermittlung von Professor Richard Bieling, Leiter der Behring-Werke in Marburg, erhielt Kleeberg 1929 ein Angebot für einen Führungsposten im Bikur Cholim Krankenhaus in Jerusalem. Obwohl der junge Arzt keinen einzigen Gedanken an eine etwaige zionistisch motivierte Auswanderung nach Palästina verschwendete, nahm er das Angebot an: „Die Vorstellung, dass ich schon am Anfang meiner Karriere die Leitung einer medizinischen Abteilung übernehmen sollte, war doch sehr reizvoll“, notierte Kleeberg in seinen Memoiren. Im Januar 1930 fuhr der „Nichtzionist“, wie Kleeberg sich selber bezeichnete, nach Genua und ging in der italienischen Hafenstadt an Bord des Schiffes „Adolf Woermann“. Von dem ägyptischen Hafen Port Said aus erreichte er mit dem Zug sein Ziel Jerusalem. In seinem Tagebuch schrieb er: „Wenn ich mir vergegenwärtige, was in Deutschland nur wenige Jahre später geschah, erscheint meine Entscheidung, nach Palästina zu gehen, als außergewöhnliche Vorahnung. Jedoch habe ich mir wirklich niemals vorstellen können, dass man die Juden aus Deutschland vertreibt. Sie haben dort doch 150 Jahre in Sicherheit leben können.“

Nach kurzer Zeit verließ Kleeberg das Jerusalemer Krankenhaus von Bikur Cholim und wurde 1931 Chefarzt der Inneren Medizin am Hadassah Hospital. Nach der Machtübernahme Hitlers flohen immer mehr jüdische Ärzte nach Palästina und bewarben sich auch am Hadassah. Auch wenn nicht alle Mediziner eine Anstellung fanden, profitierte nicht nur diese Klinik von dem reichen Wissen und den Erfahrungen der weltweit hochangesehenen Ärzte aus Deutschland. „Ich war in Jerusalem nun nicht mehr bekannt als der ,Deutsche‘ Arzt‘“, schrieb Kleeberg, „nun gab es zahlreiche Anwärter für diesen Titel.“

Kleeberg war ein gern gesehener Gast bei diversen gesellschaftlichen Anlässen. Dabei lernte er auch den berühmten Zionisten Chaim Arlosoroff kennen. Bei einem Spaziergang am Strand von Tel Aviv wurde Arlosoroff im Sommer 1933 Opfer eines vermutlich politisch motivierten Mordanschlages. Auch der rasch herbeigerufene deutsch-jüdische Chirurg Max Marcus konnten dem tödlich Verletzten nicht mehr helfen. Chaim Arlosoroff starb während der Notoperation. „Das ganze Land betrauerte den Tod eines brillianten jungen Mannes“, notierte Kleeberg, „der sich wahrscheinlich zu einem außerordentlichen Führer nicht nur des Jischuw, sondern der gesamten jüdischen Welt entwickelt hätte.“

Kleeberg organisierte zahlreiche Fachkongresse im Land, gründete die medizinische Zeitschrift „Folia Medica Orientalia“, erhielt an der medizinischen Fakultät der Hebräischen Universität eine Professur und war in der Ausbildung von Ärzten tätig. 1956 gründete er gemeinsam mit anderen aus Deutschland stammenden Ärzten die israelische Gesellschaft für Gastroenterologie. 1957 wechselte Kleeberg als Leiter der Forschungsabteilung an das Rothschild Krankenhaus in Haifa. Die Stadt Tel Aviv zeichnete ihn mit dem renommierten „Henrietta Szold Prize for Medicine and Hygiene 1964/65“ aus und 1978 verlieh ihm die Universität Düsseldorf einen Ehrendoktortitel für seine „medizinischen und humanistischen“ Verdienste. Wenngleich Kleeberg sich sehr über die Auszeichnung freute, lehnte er es ab nach Deutschland zu reisen. Da der Dekan der Universität Düsseldorf diese Entscheidung nachvollziehen konnte, fand die Ehrung in der Schweizer Hauptstadt Bern statt.

Auch nach seiner Pensionierung war Kleeberg noch lange Jahre als medizinischer Berater für das israelische Gesundheitswesen tätig. Er starb im hohen Alter von 94 Jahren 1988 in Haifa.

Quellen:
Philip Gillon (Ed.), Recollections of a Medical Doctor in Jerusalem. From Professors Julius J. Kleeberg’s Notebooks 1930-1988, Basel 1992.
Jürgen Hartmann, Die Erinnerungen Julius Kleebergs an seine Kindheit und Jugend, in: Rosenland. Zeitschrift für lippische Geschichte, 10/2010.
Julius Kleeberg, in: Entsiklopedyah le-halutse ha-yishuv u-vonav, http://www.tidhar.tourolib.org/tidhar/view/4/1977 (hebr.).