Geb.: 1902 in Lübeck
Fachrichtung: Innere Medizin/Radiologie
Alija: 1933

Ernst Ludwig Joel wurde am 28. Juli 1902 in Lübeck geboren. Sein Vater Julius war praktischer Arzt und Kinderarzt, die Mutter Margarethe, eine Schwester des berühmten deutschen Dichters und Anarchisten Erich Mühsam, war Lehrerin. Nach dem Abitur studierte Ernst Medizin in Hamburg, Freiburg, Göttingen, Würzburg und Kiel, wo er 1925 abschloss.

Zwischen 1925 und 1930 arbeitete er zunächst als Medizinalpraktikant am Lübecker allgemeinen Krankenhaus und anschließend als Assistent für Innere Medizin an der Berliner Charité sowie an einem Stuttgarter Krankenhaus. 1931 übernahm er mit großem Erfolg die Praxis des Vaters in Lübeck, die seit 30 Jahren bestand. Nachdem Joel zusätzlich eine Fachausbildung in Radiologie absolviert hatte, entschloss er sich einen modernen Röntgenapparat anzuschaffen.

1932 heiratete Ernst Joel die aus Frankfurt stammende Chana Oppenheimer. Die Arztpraxis war wirtschaftlich erfolgreich, sodass das Ehepaar sich eine große Wohnung und einen BMW leisten konnten. Ernst Joel schrieb später: „Als ich am 16. April 1933 Lübeck verließ, nachdem man mir wie allen jüdischen Ärzten einen Posten vor meine Praxis gestellt hatte, und um nicht von den Nazis umgebracht zu werden, was nach Angaben guter Freunde geplant war, ließ ich eine glänzende Existenz zurück“. Joel und seine Frau verließen die Stadt im Geheimen und ohne Gepäck. Sie informierten ihre Eltern erst über die Flucht, nachdem sie die deutsche Grenze überschritten hatten.

Ernst und Chana Joel gelangten Anfang Mai 1933 per Schiff von Triest nach Jaffa, wo kurz darauf ihre erste Tochter zur Welt kam. Julius, der Vater von Ernst, starb im Juli während einer Operation in seiner Heimatstadt Lübeck. Nach seinem Tod machte sich seine Ehefrau Margarethe umgehend daran, Haus und Praxis in Deutschland zu verkaufen und emigrierte zu ihrem Sohn nach Palästina.

Die Joels ließen sich in Rechowot nieder, wo ein Bekannter lebte, der in einer landwirtschaftlichen Forschungsstation arbeitete. Rechowot war zu dieser Zeit eine Kolonie mit etwa 1000 Einwohnern. Dort lernte Ernst zunächst Hebräisch und Arabisch. Die Umstellung beschreibt er insgesamt als sehr schwer. Klima, Sprache, Essgewohnheiten und Lebensumstände waren fremd, doch daran konnte er sich gewöhnen. Schwer zu kämpfen hatte er dagegen mit der beruflichen Situation. Die Mehrzahl der Einwohner Rechowots waren Kassenpatienten und mussten sich bei Vertragsärzten der Kupat Cholim behandeln lassen. Die Wohlhabenderen fuhren zu den Koryphäen in Tel Aviv, so dass für Dr. Joel als Privatarzt nur die ärmere jüdische sowie die arabische Bevölkerung blieb. Die Behandlung der überwiegend jemenitischen Patienten brachte ihm vor allem „viel Sorge und Kopfzerbrechen“, da bei ihnen Aberglaube und die damit verbundenen archaischen Heilmethoden vorherrschend waren. „So hatte ich ständig sehr schwer um mein tägliches Brot zu kämpfen und hatte bei aller ehrlichen Bemühung, den Patienten zu helfen, sehr viele Enttäuschungen, da die meisten Patienten an eine Art Behandlung gewöhnt waren und nur an diese glaubten, die mir gegen alles medizinische menschliche und ethische Empfinden waren.“

Anerkennung fand Dr. Joel jedoch bei der Behandlung von Chaim Weizmann, der zu jener Zeit Präsident der Zionistischen Weltorganisation war und, sofern er im Land weilte, in Rechowot wohnte. Auch nachdem Weizmann zu Israels erstem Präsidenten gewählt wurde, blieb Dr. Joel sein behandelnder Arzt. In den letzten Monaten vor Weizmanns Tod im November 1952 kümmerte sich der deutsch-jüdische Mediziner intensiv um das herzkranken Staatsoberhaupt und zog sogar zu ihm.

Die lang anhaltende unbefriedigende berufliche Situation für Dr. Joel änderte sich erst 1953 mit der Einrichtung des Kaplan-Krankenhauses in Rechowot. Dort bekam dort endlich eine Stelle als Röntgenologe und schloss darauf hin seine Privatpraxis.

Ernst Joel liebte Musik und spielte selbst Geige. In der Familie wurde oft gemeinsam Kammermusik gespielt. Ernst Joel starb 1980 in Rechowot und hinterließ drei Kinder.

Quellen:
Ernst Joel, „So hatte ich ständig sehr schwer um mein täglich Brot zu kämpfen“, in: Gerhard Paul/Miriam Gillis-Carlebach (Hrsg.), Menora und Hakenkreuz. Zur Geschichte der Juden in und aus Schleswig-Holstein, Lübeck und Altona (1918 – 1998), Neumünster 1998.
Nissim Levy/Jael Levy, Rofeiha schel Erez-Israel 1799–1948, Haifa 2008 (hebr.).