Geb.: 1880 in Karlsruhe
Fachgebiet: Allgemeinmedizin/Gynäkologie
Alija: 1933

Rahel Straus wurde als Tochter des Rabbiners Gabor Goitein und seiner Frau Ida am 21. März 1880 in Karlsruhe geboren. Nach dem Besuch der höheren Mädchenschule sowie des Lessing-Gymansiums, das 1893 als erstes Mädchengymnasium Deutschlands seine Pforten öffnete, legte sie 1899 in Karlsruhe das Abitur ab und studierte als erste Frau an der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg.

1905 bestand Rahel Goitein das ärztliche Staatsexamen und arbeitete anschließend als Assistenzärztin an verschiedenen Kliniken in München. Im selben Jahr heiratete sie ihren Jugendfreund, den Rechtsanwalt und bekannten Münchner Zionisten Elias Straus. In dieser Zeit promovierte Rahel Straus an der örtlichen Universität, erhielt 1907 den Doktortitel sowie die Approbation. Sie eröffnete „als dritte Ärztin in München“ eine eigene Praxis und arbeitete als zugelassene gynäkologische Kassenärztin bis zum Jahr 1933.

Neben ihren beruflichen Tätigkeiten engagierte sich die Medizinerin in führender Position im „Jüdischen Frauenbund“, publizierte in zionistischen Zeitungen und war Mitglied der „Women’s International Zionist Organization“.

Das Jahr 1933 brachte neben der wirtschaftlichen und sozialen Ausgrenzung einen weiteren schweren Schicksalsschlag mit sich: Ehemann Elias, der Vater ihrer fünf Kinder, erkrankte an Krebs und verstarb im Juni desselben Jahres. Der zunehmende Boykott ihrer Arztpraxis sowie der Tod des Partners führten zur Entscheidung, Deutschland zu verlassen. „Dass es nur Palästina sein konnte, war für mich keinen Augenblick zweifelhaft. Das einzige Land, das Heimat werden konnte, wenn man die angeborene Heimat verließ, war Erez Israel“, schreibt sie in ihren Erinnerungen. „Wäre ich nicht mein ganzes Leben lang Zionistin gewesen, so wäre ich, wie so viele andere, wohl doch der Verlockung erlegen, mich irgendwo in Europa anzusiedeln. Aber zu viel Schlimmes hatte ich seit Hitlers Machtergreifung schon gesehen, und viel Schlimmes, das wusste ich, würde noch kommen.“ Im Herbst 1933 emigrierten die Witwe und ihre Kinder über die Schweiz und Italien nach Palästina.

Dr. Rahel Straus erhielt von den britischen Behörden eine Lizenz und eröffnete nun im Alter von 54 Jahren umgehend eine eigene Arztpraxis in Jerusalem, die sie bis 1940 führte. In diesem Jahr beendete sie ihre medizinische Arbeit und engagierte sich fortan in der Wohlfahrtspflege. Da sie ein Großteil ihres Vermögens aus Deutschland hatte mitnehmen können, richtete sie Kochkurse sowie eine öffentliche Küche ein und initiierte eine Altkleidersammlung für mittellose jüdische Neueinwanderer. Daneben wurde ihr Haus zu einem Treffpunkt für politisch und kulturell Interessierte, die bei Vorträgen und Gesprächsrunden aktuelle Themen diskutierten.

Nach der Proklamation des Staates Israel führte Rahel Straus ihre sozialfürsorgerische Arbeit fort; sie gehörte zu den Gründern von „AKIM -Association for the Habilitation of the Intellectually Disabled“, deren Jerusalemer Sonderschule noch heute ihren Namen trägt: Beit Rahel Straus. Zudem betätigte sie sich politisch in der „Womens International League for Peace and Freedom“, deren Vorsitz sie übernahm und war aktives Mitglied in einer Organisation für Akademikerinnen und Ärztinnen.

Nach einem erfüllten Leben starb Rahel Straus kurz nach ihrem 83. Geburtstag im Mai 1963. Sie hinterließ einen umfassenden autobiografischen Text über ihr Leben in Deutschland sowie ein in Israel sehr populäres Kinderbuch in hebräischer Sprache.

Fotos:
Rahel Straus im Alter von 25 Jahren, Foto: Stadtarchiv Karlsruhe
Rahel Straus’ Artikel auf Seite eins der Zeitschrift Palästina. Screenshot: www.compactmemory.de/

Quellen:
Rahel Straus, Wir lebten in Deutschland. Erinnerungen einer deutschen Jüdin, Stuttgart 1961.
Marita Krauss, Ein voll erfülltes Frauenleben. Die Ärztin, Mutter und Zionistin Rahel Straus, in: Hiltrud Häntzschel (Hg.), Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern, München 1997.
Jewish Women’s Archive, http://jwa.org/encyclopedia/article/straus-rahel.
Freie Universität Berlin, Dokumentation: Ärztinnen im Kaiserreich, http://web.fu-berlin.de/aeik/.