Edgar J. und Anna Heilbronner (née Rothschild)
Geb.: 1890/1894 in Stuttgart
Fachgebiet: Orthopädie/Allgemeinmedizin
Alija: 1933
Edgar Jakob Heilbronner wurde am 19. Juli 1890 als Sohn einer Bankiersfamilie in Stuttgart geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums begann er ab 1908 an den Universitäten München, Berlin und Freiburg Medizin zu studieren. 1913 bestand er die ärztliche Prüfung, ein Jahr später erhielt er seine Approbation und 1915 promovierte Heilbronner erfolgreich an der Universität Freiburg. Nach verschiedenen Stationen als Assistenzarzt an den Krankenhäusern in Bad Cannstatt und Darmstadt und an den Universitäten in München sowie Frankfurt/Main ließ er sich 1923 als Orthopäde/Chirurg in Stuttgart nieder.
Anna Heilbronner wurde am 6. Februar 1894 als Kaufmannstochter ebenfalls in Stuttgart geboren. Sie machte 1913 das Abitur am Mädchengymnasium in Bad Cannstatt und nahm noch im selben Jahr ein Medizinstudium auf. Sie unterbrach es bald, da sie nahezu während der gesamten Kriegsjahre als freiwillige Krankenpflegerin sowohl in Stuttgart als auch im Felde tätig war. Nachdem die Waffen schwiegen, beendete die junge Frau ihre Ausbildung an den Universitäten München und Freiburg und bestand 1920 das Staatsexamen. Ein Jahr später erhielt Anna Heilbronner ihren Doktortitel sowie die Approbation, sodass sie ihre erste Stelle als Assistenzärztin am städtischen Krankenhaus in Bad Cannstatt antreten konnte.
Im März 1922 heirateten Anna und Edgar Heilbronner. Zwischen 1923 und 1931 brachte Anna drei Kinder zur Welt, eine Tochter und zwei Söhne. Daher eröffnete sie keine eigene Praxis. Sie arbeitete als Praktische Ärztin und Chirurgin in der Praxis ihres Mannes mit und assistierte ihm beispielsweise bei Operationen. 1933 wurde Edgar Heilbronner die Kassenzulassung entzogen, da er kein aktiver Frontkämpfer gewesen sei. Anna versuchte die Praxis zu übernehmen, erhielt jedoch mit der fadenscheinigen Begründung, sie sei im Krieg nicht als Ärztin, sondern nur als Krankenschwester tätig gewesen, keine Kassenzulassung. Nachdem es den beiden Ärzten verwehrt wurde, in ihrem Beruf weiter zu arbeiten, entschloss sich die Familie noch 1933 nach Palästina auszuwandern.
In Jerusalem eröffnete Edgar Heilbronner eine kleine Praxis für orthopädische Chirurgie in einem Zimmer seiner Wohnung. Um sein kärgliches Einkommen aufzubessern, „übte er mit seinen geschickten Händen die Kunst eines orthopädischen Schuhmachers aus“, erzählte sein Sohn Abraham, „und erledigte die eigenen Rezepte“. Seine Frau konnte nur sporadisch mitarbeiten, da sie sich um die Kinder und den Haushalt kümmerte. „In Stuttgart hatte ich dies nicht notwendig, weil wir genügend Dienstboten zur Führung des Haushalts und der Versorgung der Kinder hatten. In Palästina waren wir aus finanziellen Gründen zur Haltung von ständigem Dienstpersonal nicht in der Lage“, berichtete sie.
Gleichwohl führten die Heilbronner das kulturelle Leben einer bürgerlichen deutsch-jüdischen Familie: in der Bibliothek standen die Werke deutscher Klassiker und jede Woche veranstaltete der geigespielende Hausherr einen Kammermusikabend. 1937 ereilte die Familie ein schwerer Schicksalsschlag, Tochter Schoschana starb mit nur 14 Jahren an einem Gehirntumor.
Neben seiner Privatpraxis arbeite Edgar Heilbronner zeitweise auch als Orthopäde im Hadassah Krankenhaus am Mount Scopus. Später baute er zusammen mit anderen Ärzten eine Klinik für behinderte Kinder auf, deren medizinischer Direktor er alsbald wurde. Die „Society for Aid to Handicapped Children“, heute bekannt als ALYN-Klinik, nahm erfolgreich den Kampf gegen die damals in Palästina wütende Kinderlähmungsepidemie auf. „Das wurde sein Lebenswerk“, erinnerte sich Sohn Abraham und fügte hinzu: „Anna Heilbronner war stets an seiner Seite und half freiwillig medizinisch wie sozial in der Klinik.“
Die beiden Söhne engagierten sich tatkräftig beim Aufbau des Landes: Abraham gehörte zu den Gründern des Kibbuz Be’eri und sein Bruder Chanan zu den Gründern des Kibbuz Re’im. Anschließend studierte Chanan Architektur und entwarf u. a. die Pläne für das Gebäude der Nationalbibliothek sowie den Neubau des ALYN-Hospitals.
Edgar Jakob Heilbronner starb 1967 im Alter von 76 Jahren in Jerusalem an einem Herzinfarkt, seine Frau Anna sieben Jahre später im Alter von 80 Jahren.
Quellen:
http://www.irgun-jeckes.org/_Uploads/dbsAttachedFiles/ramon.pdf (hebr.).
Susanne Rueß, Stuttgarter jüdische Ärzte während des Nationalsozialismus, Würzburg 2009.
Walter Strauss, Lebenszeichen. Juden aus Württemberg nach 1933, Gerlingen 1982.
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