Geb.: 1899 in Bayreuth/1905 in Würzburg
Fachgebiet: Allgemeinmedizin/Kinderheilkunde
Alija: 1934

Anna Stern wurde am 20. Oktober 1905 in Würzburg geboren. Nach dem Besuch der Volks- und Sophienschule studierte sie Medizin an der Universität ihrer Geburtsstadt; das Studium schloss sie 1930 mit ihrer Promotion ab. Noch im gleichen Jahr erhielt die junge Frau die Approbation und begann am Städtischen Klinikum Magdeburg mit ihrer Ausbildung zur Kinderärztin. „In Magdeburg war der Chef des Krankenhauses ein Jude und es gab auch sehr viele jüdische Ärzte“, berichtete sie. „Magdeburg war eine sehr ,rote‘ Stadt, während man in meiner Heimat Würzburg sehr antisemitisch war.“

Albrecht Wilmersdoerffer wurde am 11. April 1899 in Bayreuth geboren; dort besuchte er von 1909 bis 1917 die Kreisoberrealschule und wurde nach dem Abitur zum Militärdienst eingezogen. Anfangs der 1920er Jahre studierte er Medizin in Heidelberg und Würzburg, wo er seine spätere Frau Anna kennenlernt. Nach der Promotion und Approbation war Dr. Wilmersdoerffer für einige Jahre am Jüdischen Krankenhaus in Berlin tätig. 1930 heirateten Anna und Albrecht und verlegten ihren Wohnort nach Schönebeck bei Magdeburg. Albrecht Wilmersdoerffer ließ sich dort als Allgemeinarzt nieder: „Mein Mann hatte eine große Kassenpraxis. Am 1. April 1933 haben sich verschiedene Leute entschuldigt, dass sie nicht mehr zu ihm kommen können“, so Anna Wilmersdoerffer rückblickend. „Außerdem stand ein Posten vor unserem Haus.“ Auch die Kinderärztin war antisemitischen Repressalien ausgesetzt und verlor im April 1933 ihre Arbeitsstelle an der Städtischen Kinderklinik Magdeburg.

Da Albrecht Wilmersdoerffer seit seiner Jugend zionistisch orientiert war, gab es für ihn nur eine Zukunft in Erez Israel: Nach langer Wartezeit erhielt die Familie mit ihren Kindern im September 1934 das Zertifikat für Palästina. „Es gab damals sehr viele Ärzte, die eingewandert sind“, so Anna, „eine feste Anstellung hat man nicht mehr bekommen.“ Auch die wenigen Vertretungen waren sehr dünn gesät und äußerst begehrt. „Die Arbeiten, die ich am Anfang annahm, und die nicht gerade zu meinem Beruf gehörten, haben uns etwas Geld eingebracht.“ Mit einem Job als Bedienung versuchte die Mutter von zwei kleinen Kindern ihre Familie durchzubekommen. „In dem Kaffeehaus, in dem ich als Kellnerin arbeitete, waren alle Neueinwanderer, und alle wussten, dass es da keine echten Kellner gab, sondern jeder irgendeinen anderen Beruf hatte, meistens als Akademiker“, erinnert sich Anna Wilmersdoerffer, die auch eine Zeit in einem Kindergarten aushalf. Endlich gelang es dem Ärztepaar, eine Dreizimmerwohnung in Ramat Gan zu bekommen, in der sie ihre gemeinsame Praxis eröffneten: „Ein Zimmer für die Kinder, eins für uns und eins für die Praxis“, berichtete sie, „im Korridor sollten die Patienten warten.“ Nur weil anfänglich so wenige kamen, funktionierte das eine Zeit lang, auch wenn die Einkünfte für eine vierköpfige Familie nicht ausreichten. 1943 trat Albrecht Wilmersdoerfer in die britische Armee ein und diente bis zu seinem Abschied 1946 in Palästina, Ägypten, Algerien und Italien.

Neben ihrer privaten Praxis arbeiteten er und seine Frau Anna für die Maccabi-Krankenkasse sowie den Magen David Adom. Beide bildeten sich medizinisch weiter: Die Kinderärztin im Bereich der Kinderpsychiatrie und der Allgemeinmediziner als Gynäkologe und Geburtshelfer. Albert Wilmersdoerffer starb 1977 in Ramat Gan, seine Frau Anna 1998 in Bat Yam.

Quellen:
Reiner Strätz, Biographisches Handbuch Würzburger Juden 1900–1945, Würzburg 1989.
Eduard Seidler, Jüdische Kinderärzte 1933–1945. Entrechtet. Geflohen. Ermordet, Freiburg 2007.
Gideon Greif u. a. (Hg.), Die Jeckes, Deutsche Juden aus Israel erzählen, Köln 2000.
Nissim Levy/Jael Levy: Rofeiha schel Erez-Israel 1799–1948, Haifa 2008 (hebr.).
Auskunft Stadtarchiv Bayreuth.
Auskunft Stadtarchiv Schönebeck.