Geb. 1876 Berlin
Fachgebiet: Allgemeinmedizin
Alija: 1938

Hans Günther Mühsam wurde am 15. Juli 1876 in Berlin als Sohn des Apothekers Siegfried Mühsam und seiner Frau Rosalie geboren. Sein jüngerer Bruder war der berühmte anarchistische Schriftsteller, Publizist und Antimilitarist Erich Mühsam. Zum Ende der 1870er Jahre lebte die sechsköpfige Familie Mühsam in der Hansestadt Lübeck, in der Vater Siegfried eine Apotheke betrieb und als Abgeordneter im Stadtrat vertreten war. Hans besuchte in Lübeck das Katharineum, sowohl die Grundschule als auch das Gymnasium.

Ab 1895 studierte er auf Wunsch seiner Eltern Medizin an den Universitäten in Freiburg, Königsberg, München, Berlin und Kiel. Fünf Jahre später promovierte der junge Arzt an letzterer Hochschule „Über unkomplicirte kongenitale Defekte in der Kammerscheidewand des Herzens“ und erhielt im selben Jahr seine Approbation. Hans Mühsam nahm eine Stelle am Jüdischen Krankenhaus in Berlin an.

Schon früh engagierte sich der Mediziner in der zionistischen Bewegung: Er hatte den Vorsitz des „Jüdischen Volksvereins“ in Berlin inne, der Herbergen für zumeist ostjüdische Flüchtlinge unterhielt, und initiierte die „Gesellschaft jüdischer Naturwissenschaftler und Ärzte für sanitäre Interessen in Palästina“, der er bis zu seiner Einberufung zum Militär im Jahr 1917 als Vorstandsmitglied angehörte. Hans Mühsam diente als Bataillonsarzt in einem sogenannten Seuchenlazarett.

Nach seinem Wehrdienst ließ sich Doktor Mühsam als praktischer Arzt in Berlin nieder. Seit 1915 war er ein enger Freund von Albert Einstein, der Mühsam einen Erstdruck von seiner Arbeit „Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie“ schenkte. Mühsam behandelte die krebskranke Mutter des berühmten Physikers. Der wissenschaftliche Gedankenaustausch zwischen den Freunden führte auch zu einer gemeinsamen Publikation über die experimentelle Bestimmung der „Durchlässigkeit von Membranfiltern“, die 1923 in der „Medizinischen Wochenschrift“ abgedruckt wurde.

Hans Mühsam betrieb neben seiner Praxis als Allgemeinmediziner in Berlin noch ein „Diagnostisches Labor. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten gestaltete sich die berufliche und persönliche Lage immer schwieriger. Als sein Bruder Erich im Juli 1934 im KZ Oranienburg von den SS-Schergen aufgehängt wurde, musste Hans den Toten identifizieren. Sofort fiel dem Mediziner auf, dass es sich keinesfalls um einen Freitod handelte, sondern um heimtückischen Mord.

Mit seiner Ehefrau Minna flüchtete Hans Mühsam nach Palästina. Er hätte in Bat Galim (Haifa) die Praxis eines Arztes, der eine Anstellung bei der Kupat Cholim bekommen hatte, übernehmen können. Doch aus Sorge um seine Patienten kehrte er nach Deutschland zurück. Erst nachdem der jüdische Arzt immer mehr Restriktionen unterworfen war und sich abzeichnete, dass Juden keine Autos mehr besitzen dürften, was seine Krankenbesuche unmöglich machen würde, und ihm zudem im September 1938 die Kassenzulassung entzogen wurde, emigrierten Hans und Minna Mühsam noch im selben Jahr endgültig nach Palästina.

Der Mediziner ließ sich in Haifa nieder und praktizierte wieder. Durch eine schwere Hüftgelenkserkrankung war Hans Mühsam bald an den Rollstuhl gefesselt, konnte keine Krankenbesuche mehr machen und musste daher seine „ärztliche Tätigkeit auf consultative Praxis beschränken“ wie er in einem Brief an seinen Freund Einstein berichtete. Später wurde bei ihm die unheilbare parkinsonsche Krankheit diagnostiziert. Aufgrund seines Alters und der fortschreitenden Beschwerden musste Doktor Mühsam seinen Beruf aufgeben. Er starb im Alter von 80 Jahren im Januar 1957 in Haifa.

Quellen:
Hans Mühsam, Lebenslauf aus der Dissertation „Über unkomplicirte kongenitale Defekte in der Kammerscheidewand des Herzens“, Universität Kiel 1900.
Rebecca Schwoch, Berliner jüdische Kassenärzte und ihr Schicksal im Nationalsozialismus, Berlin 2009.
Paul Mühsam, Ich bin ein Mensch gewesen. Lebenserinnerungen, Ost-Berlin 1989.
Anne Kerber/Frank Leimkugel, Die Dynastie Pappenheim-Mühsam. Zur Akademisierung der Juden im 19. Jahrhunderts in den Naturwissenschaften und der Medizin am Beispiel einer Familie, in: Dominik Groß u. a. (Hg.), Medizingeschichte in Schlaglichtern. Beiträge des Rheinischen Kreises der Medizinhistoriker, Kassel 2011.
Jozsef Illy, The Practical Einstein: Experiments, Patents, Inventions, Baltimore (MD) 2012
Nissim Levy/Jael Levy: Rofeiha schel Erez-Israel 1799-1948, Haifa 2008 (hebr.).
Signed title page to Einstein’s work on relativity theory, 1917, http://www.scienceandsociety.co.uk/results.asp?image=10411847&screenwidth=1482