Geb.: 1879 in Wiesbaden
Fachgebiet: Kinderheilkunde
Alija: 1935

Ludwig Ferdinand Meyer wurde am 23. Mai 1879 in Wiesbaden geboren. Nach der Schulausbildung studierte er Medizin in München, Berlin und Bonn. 1902 promovierte er an der Universität Bonn und erhielt im selben Jahr seine Approbation. Anschließend wechselte er nach Berlin, um als Assistent bei den Professoren Otto Heubner an der Charité und Adalbert Czerny in Breslau, die als Väter der modernen Kinderheilkunde gelten, seine Facharztausbildung zu absolvieren.

Zwischen 1905 und 1914 war Meyer Assistent am Berliner Städtischen Waisenhaus und Kinderasyl unter Leitung von Professor Heinrich Finkelstein – ein Pionier der Säuglingsheilkunde. Hier spezialisierte sich Meyer auf die Ernährung von Säuglingen und entwickelte zusammen mit Finkelstein die sogenannte „Eiweißmilch“, eine Säuremilch mit vermindertem Molke- und Laktosegehalt zur Behandlung von Stoffwechselerkrankungen. 1913 habilitierte sich Meyer an der Universität Berlin als Privatdozent für Kinderheilkunde.

Während des Ersten Weltkriegs diente er als Stabsarzt und organisierte Rettungsaktionen für die unter dem Krieg leidende jüdische Bevölkerung im deutsch besetzten Polen. Aus dem Jahr 1916 ist ein Schreiben der jüdischen Gemeinde von Oszmiana an Meyer erhalten, die seinen Einsatz für die Einrichtung einer Volksküche und einer Schule würdigt: „Wir danken dem Ewigen, dass er uns einen Mann hat finden lassen, der neben seinem schweren Amte unermüdlich für die Hungernden arbeitet und auch hierbei die Wunden heilt, die der Krieg geschlagen.“ In Oszmiana benannte man auch eine Straße nach ihm.

1918 wurde Meyer Nachfolger von Heinrich Finkelstein, der als Ärztlicher Direktor ans Kaiser und Kaiserin Friedrich-Kinderkrankenhauses wechselte, und leitete das Berliner Waisenhaus und Kinderasyl. Drei Jahre später erhielt er eine ordentliche Professur. Sein jüdischer Mentor und Kollege Professor Finkelstein trat am 1. März 1933 in den Ruhestand; Ludwig Meyer übernahm für ein Jahr seinen Posten am Kaiser und Kaiserin Friedrich Kinderkrankenhaus, bis er im Mai 1934 entlassen wurde. Für kurze Zeit leitete er unentgeltlich die Kinderpoliklinik am jüdischen Krankenhaus Berlin.

1935 emigrierte der Kinderarzt nach Palästina und ließ sich in Tel Aviv nieder. Meyer arbeitete zunächst in der pädiatrischen Abteilung am Bikur Cholim Krankenhaus Jerusalem und wechselte dann an das Hadassah Krankenhaus Tel Aviv. Neben diesem Posten trug er maßgeblich zur Ausbildung von israelischen Kinderärzten bei und war als Berater für Spezialkliniken tätig, in denen geistig und körperlich behinderte Kinder versorgt wurden. Zu seinen wichtigsten Forschungserfolgen zählte die Behandlung von Toxikosen bei Säuglingen.

Auf dem internationalen pädiatrischen Kongress 1947 in New York wurde der hochgeschätzte deutsch-jüdische Arzt für seine wissenschaftlichen Leistungen mit stehenden Ovationen gefeiert.

Die Eröffnung des 6. pädiatrischen Kongresses in Israel im November 1949 war dem 70. Geburtstag Meyers gewidmet, der sich zu dieser Zeit von einer schweren Erkrankung erholt hatte. Der in Afula tätige Kinderarzt Erich Nassau, der Meyer seit der gemeinsamen Kriegsdienstzeit kannte, sprach ihm im Namen von Freunden, Kollegen und tausender Mütter und Väter tiefe Verbundenheit aus und würdigte sein Wirken: „Dein herzlicher Umgang mit den Menschen, Dein Verständnis für Mutter und Kind und Deine Geduld haben bewirkt, dass sich Eltern und Kinder an jedem Ort, an dem Du als Arzt tätig warst, nach Kurzem in vollstem Vertrauen an Dich wandten.“

1953 erhielt Meyer die Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde. „Der weltbekannte Kinderarzt hat zahlreiche Werke über sein Fachgebiet veröffentlicht“, würdigte ihn auch die deutsch-jüdische Zeitung AUFBAU in einem Nachruf. Ludwig F. Meyers Publikationen zählten seinerzeit zu den Standardwerken in der Kinderheilkunde.

Im Alter von 75 Jahren verstarb Meyer im September 1954 in Tel Aviv.

 

 

 

 

 

 

 

 


Todesanzeige im AUFBAU, Repro: Germania Judaica, Köln

Quellen:
Erich Nassau, Lebenslinien von L. F. Meyer, Harfuah 38/5 (hebr.).
Eduard Seidler, Jüdische Kinderärzte 1933–1945. Entrechtet. Geflohen. Ermordet, Freiburg 2007.
Nahum T. Gidal, Die Juden in Deutschland von der Römerzeit bis zur Weimarer Republik, Köln 1997.
Nachruf Dr. Ludwig F. Meyer, in: AUFBAU vom 24. September 1954.