Geb.: 1882 Znin (Posen)
Fachgebiet: HNO
Alija: 1933

Joseph Lachmann wurde am 16. November 1882 in der kleinen Stadt Znin bei Bromberg als Sohn des Kaufmanns Nachmann Lachmann und seiner Ehefrau Louise geboren. Als er fünf Jahre alt war, starb der Vater und die Mutter blieb mit ihren sechs Kindern zunächst alleine zurück, später heiratete sie erneut und die Familie zog nach Berlin.

Dort besuchte Joseph das Humboldt-Gymnasium, an dem er 1902 die Hochschulreife erwarb. Noch im gleichen Jahr immatrikulierte er sich an der Universität in Berlin und schloss sein Medizinstudium 1907 mit dem Examen ab. Nach einem fünfmonatigen Praktikum in der Inneren Abteilung des Jüdischen Krankenhauses Berlin interessierte sich der junge Arzt für die noch junge Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und machte seine Facharztausbildung in der Privatklinik von Dr. Joseph Herzfeld, auf dessen Anregung er 1908 über das Thema „Untersuchungen über Tuberkulose der Rachenmandeln mit Berücksichtigung der bisherigen Befunde und der Physiologie der Tonsillen“ an der Universität Leipzig promovierte. Im Anschluss vervollständigte Lachmann seine Fachausbildung in Wien, u. a. bei den Professoren Gustav Alexander und Robert Bárány.

1913 ließ er sich als HNO-Arzt in Berlin nieder. Da Joseph Lachmann sich schon während des Studiums für die zionistische Idee begeisterte, unternahm er ab 1907 mehrere Reise nach Palästina. Während des Ersten Weltkrieges diente als Arzt an der Westfront und wurde nach einer Verletzung mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet.

Nach dem Krieg arbeitete Lachmann parallel im Jüdischen Krankenhaus Berlin und im Krankenhaus Moabit und führte in dieser Zeit intensive klinische Forschungen durch. Bereits 1924 bemühte sich Lachmann um Arbeitsmöglichkeiten in Palästina, erhielt in einem Briefwechsel mit der Hadassah Organisation jedoch aus finanziellen Gründen eine Absage.

1932 heiratete Joseph Lachmann die verwitwete Valerie Kettler.

Obwohl der US-amerikanische Botschafter in Deutschland, der sein Patient war, ihm nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten anbot, eine etwaige Emigration in die USA zu unterstützen, entschied sich Joseph Lachmann für eine Übersiedlung nach Palästina. Zusammen mit seiner Frau und den beiden Töchtern erreichte er Mitte September 1933 Erez Israel und ließ sich in Jerusalem nieder, wo die Familie zunächst in der alten Windmühle in der Ramban Straße wohnte.

Joseph Lachmann und seine Frau in Jerusalem

Doktor Lachmann arbeitete zunächst für die Kupat Cholim und bald auch für Hadassah, für die er eine HNO-Praxis leitete. 1940 wurde schließlich eine eigener HNO-Fachbereich im neuen Hadassah Krankenhaus am Mount Scopus eingerichtet und Lachmann mit der Leitung betraut. Schon zwei Jahre später musste die Anzahl der Patientenbetten verdoppelt werden, da die höchste Auslastung konstant überschritten wurde. Dr. Lachmann leitete die Abteilung bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1952.

1947 fuhr Lachmann zu Fortbildungszwecken für mehrere Monate in die USA. Bereits in den ersten Jahren der medizinischen Fakultät der Hebräischen Universität Jerusalem unterrichtete Lachmann Studenten an seiner Abteilung und wurde bald zum ordentlichen Professor ernannt. Nach seiner Emeritierung zog der Mediziner nach Tel Aviv und forschte mit dem Neurologen Felix Bergmann am Beilison Krankenhaus über „zerebrale Prozesse bei Gleichgewichtsstörungen“.

Joseph Lachmann gehörte nicht nur in Erez Israel zu den angesehensten Medizinern, zahlreiche wissenschaftliche Publikationen machten ihn auch weltweit zu einer Koryphäe seines Fachgebietes. Neben seiner Tätigkeit als korrespondierendes Mitglied der französischen Gesellschaft für HNO-Erkrankungen war der deutsch-jüdische Arzt Fellow am renommierten „International College of Surgeons“. Zu seinen Patienten zählte u. a. auch der damalige ägyptische König Faruk I.

Joseph Lachmann, der seit seiner Flucht aus Deutschland an Herzbeschwerden litt, starb 1961 im Alter von 78 Jahren in Tel Aviv.

Foto: Valerie und Joseph Lachmann in ihrer Jerusalemer Wohnung, © David DeVries (Nachlass Familie Lachmann)

Quellen:
Avishay Golz, Refuat Af-Osen-Garon beErez Israel 1911–1948, Haifa 2009 (hebr).
Ruth Jacob, Joseph Lachmann (1882-1961), Hals-Nasen-Ohrenarzt, in: Ruth Jacob/Ruth Federspiel (Hg.), Jüdische Ärzte in Schönberg, Berlin 2012.
Lebenslauf aus der Dissertation, Universität Leipzig 1908.
Rebecca Schwoch, Berliner jüdische Kassenärzte und ihr Schicksal im Nationalsozialismus, Berlin 2009.).