Geb.: 1886 in Berlin
Fachgebiet: Innere Medizin
Alija: 1925

wolffWilhelm Wolff wurde am 8. Juli 1896 in Berlin geboren. Die Eltern, die seit 1880 in der Stadt ansässig waren, führten ein Herrenbekleidungsgeschäft. Wilhelm besuchte nach der Grundschule das Kaiser Wilhelms Realgymnasium, wo er im Frühjahr 1914 die Reifeprüfung ablegte, um danach ein Medizinstudium aufzunehmen.

Nach Kriegsausbruch meldete sich Wolff sofort freiwillig und diente zunächst an der Westfront, wo er in Belgien verletzt wurde. Nach seiner Genesung wurde er zunächst an die Ostfront versetzt und konnte schließlich auf seinen Wunsch hin dem Asien-Korps beitreten. Wolff diente bei einer Sanitätstruppe, die in der Nähe der deutschen Fliegerstellungen am Bahnhof von El-Fule, der heutigen israelischen Stadt Afula, stationiert war. Im nahegelegenen Merchavia, einem der ersten Siedlungsprojekte in Palästina, traf er erstmals mit jüdischen Siedlern im Landzusammen, was tiefen Eindruck auf den jungen Mann machte. In seinen Briefen nach Hause schwärmte er von den „neuen wahren und wundervollen Juden“, die er in Erez Israel antraf. In dieser Zeit nahm er einen jüdischen Jungen, der aus Jaffa weggelaufen war, unter seine Fittiche, brachte ihn auch nach Deutschland mit und ermöglichte ihm dort eine Ausbildung in Landwirtschaft. Der Kontakt sollte sein Leben lang halten.

Nach dem Krieg nahm Wolff sein Medizinstudium in Berlin wieder auf und war während der Studienzeit und auch im Anschluss in zionistischen Verbindungen aktiv, sowohl bei Blau-Weiß wie auch im K.I.V. Anfang 1922 legte er das Staatsexamen ab und erhielt am 1. August 1922 seine Approbation.

Bis 1925 sammelte er Erfahrung in verschiedenen Fachgebieten bei den jeweiligen Koryphäen in Berlin: Als Voluntärarzt an der I. Medizinischen Klinik der Charité bei dem Internisten Prof. Wilhelm His, an der Brandenburgischen Hebammenlehranstalt unter Prof. Sigfried Hammerschlag, an der zweiten H.N.O.-Klinik der Charité bei Prof. Carl Otto von Eicken und bei Prof. Adalbert Czerny an der Kinderklinik der Charité. Zusätzlich war er auch Assistent bei einem praktischen Privatarzt.

malkaAls Zionist und Sozialist sah er seine Zukunft jedoch nicht in Deutschland. Mit seiner Verlobten, Dr. Malka Leshem, plante er, am Tag der Hochzeit nach Palästina auszuwandern. Malka, 1898 in Wilna geboren, hatte ihr Medizinstudium in St. Petersburg abgeschlossen und Wolff während ihrer Facharztausbildung in Kinderheilkunde in Berlin kennengelernt. Das Paar heiratete am 28. Februar 1925 und bereitete die gemeinsame Emigration vor. Natan, wie er sich von nun an ausschließlich nannte, und Malka erreichten den Hafen von Jaffa am 1. April 1925.

Natan Wolff fand zunächst Anstellung bei der Kupat Cholim und war als Betriebsarzt für die in Atlit ansässige Salz Fabrik Melach haAretz zuständig, sowie für die umliegenden arabischen Dörfer. Später wechselte er nach Kfar Saba, wo er auch für die jüdischen Siedlungen Gan Chaim, Ramat haKovesch und die arabischen Dörfer der Gegend zuständig war. Auch Malka arbeitete anfangs für die Kupat Cholim in Haifa und später in Kfar Saba. 1927 wurde die Tochter Margalit geboren.

Im Herbst 1929 ging die junge Familie nach Berlin zurück, da Natan Wolff seine Facharzt-Ausbildung abschließen wollte. Nach einigen Monaten am Hospital Buch-West, wo er vor allem mit Lungentuberkulose befasst war, erhielt er eine Assistenzarztstelle am Städtischen Krankenhaus Neukölln. Die Anerkennung als Facharzt für Innere Krankheiten folgte im November 1931.

Im Sommer 1932 bat Wolff um die Zulassung als Kassenarzt, bewarb sich aber gleichzeitig wieder in Palästina. Nach langem Warten erhielt er schließlich die Zusage für eine Assistenzarztstelle am Hadassah Krankenhaus in Tel Aviv, die ihn per Post Ende 1932 erreichte. Seine Stelle könne er zum 1. Februar 1933 kündigen, teilte er mit. Kurz nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten verließ die Familie Berlin. Natan Wolff trat die neue Stelle in Tel Aviv am 15. März 1933 an. Zu seinen Kollegen zählten dort später die ebenfalls aus Deutschland geflohenen Ärzte Max Marcus (Chirurgie) und Samuel Zondek (Inneres).

Seine Frau Malka arbeitete nach der Rückkehr nach Palästina nicht mehr als Ärztin. 1936 wurde Sohn Ori geboren. Natan trat der Hagana bei und gehörte zu den Leitern des medizinischen Dienstes, im Unabhängigkeitskrieg war er für das Sanitätskorps verantwortlich.

Noch vor 1948 hatte Wolff, gemeinsam mit anderen Ärzten, darunter seiner Frau Malka, eine landesweite Blutbank für Magen David Adom (MDA) gegründet, was es bis dato in Palästina nicht gab. Das Problem der Konservierung wurde nach vielen Versuchen innovativ gelöst. Nachdem es noch keine Plastikbeutel gab wurden Blut und Plasma in kleinen Glasflaschen einer britischen Ketchupfirma und einer israelischen Pflanzenölfirma aufbewahrt.

Am Hadassah Krankenhaus leitete Natan Wolff bis zu seiner Pensionierung die Abteilung für Inneres III und bildete dort Generationen von jungen Ärzten aus, die sich an ihn als großes Vorbild erinnern. Neben der Leitung der Blutbank führte er außerdem von zuhause aus eine Privatpraxis. In der Klinik hatte er zudem wöchentliche Treffen der Abteilung mit Privatärzten organisiert, die dem beruflichen Austausch und der Weiterbildung dienten. Auch nach seiner Pensionierung 1965 war er als Berater und Ausbilder weiter am Hadassah tätig, neben der Abteilung für Inneres vor allem in der Sozialhilfe.

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Von Beginn an hatte Wolff sich für die sozial schwachen Schichten in Tel Aviv eingesetzt und unter anderem eine Ambulanz im Süden der Stadt eingerichtet. Auch nach seiner Pensionierung kam er zu Beratung und Nachsorge auf Hausbesuch zu jenen, die ihn brauchten, einen Arztbesuch jedoch nicht bezahlen konnten.

Dieser ehrenamtlichen Tätigkeit ging er noch bis 1972 nach. Natan Wolff blieb sein Leben lang Sozialist und war Mitglied der Arbeitspartei. Nach Deutschland wollte er nie wieder, mit den Kindern sprach das Ehepaar konsequent hebräisch und auch bei offiziellen beruflichen Zusammentreffen mit Deutschen bevorzugte er es, englisch zu sprechen. Nur mit ebenfalls aus Deutschland stammenden Freunden sprach Wolff deutsch.

Natan Wolff gehört zu den Gründern des Ruderclubs am Yarkon Fluss. Bereits in Berlin war er Mitglied des zionistischen Ruderclubs Ivria gewesen. Die Boote wurden aus Berlin nach Tel Aviv gebracht, der Club besteht bis heute an der Mündung in der Nähe der Reading Power Station. Sohn Ori erzählt, dass sein Vater jedes Wochenende gemeinsam mit einer Gruppe von Freunden, die meisten ebenfalls Ärzte aus Deutschland, den Yarkon bis zu „Sheva Tachanot“ und wieder zurück ruderte.

Nach dem Tod seiner Frau Malka verbrachte Wolff seine letzten Lebensjahre im Kibbutz Cabri nahe Naharijas, wo seine Tochter Margalit Rossolio mit Familie lebte. Dr. Natan Wolff starb 1978 und wurde im Kibbutz beigesetzt.

Fotos: Wilhelm Natan Wolff, Malka Wolff, Wilhelm Natan Wolff vor dem Hadassah Krankenhaus Tel Aviv © Privatarchiv Ori Wolff

Quellen:
Nachlass Wilhelm Natan Wolff, Privatarchiv Ori Wolff.