Geb.: 1909 in Breslau
Fachgebiet: Kinderheilkunde
Alija: 1938

Elly Rzeszewski wurde am 23. Juni 1909 in Breslau geboren und wuchs bei ihren religiös-orthodoxen Großeltern auf. Nach dem Besuch des Gymnasiums wechselte sie auf die Handelsschule und ging hinterher für einige Zeit nach England. 1929 kehrte sie nach Breslau zurück und holte das Abitur nach. Sie suchte Abstand zu ihrer orthodoxen Familie und schrieb sich in Heidelberg zum Medizinstudium ein. Aus finanziellen Gründen musste die junge Studentin jedoch nach einem Jahr Heidelberg verlassen und studierte weiter an der Universität in Breslau. Hier lernte sie ihren späteren Mann Edgar Freund kennen, der Philosophie, Mathematik und Physik studierte. Er hatte ein Semester an der Hebräischen Universität in Jerusalem verbracht und war als Zionist zurückgekommen.

„Im Sommersemester 1933 unterbrach ich das erste Mal das Studium in Breslau, weil dort die Naziverfolgungen besonders stark fühlbar waren“, erinnert sich Elly im Rückblick. Sie beschäftigte sich intensiv mit jüdischer Geschichte und Zionismus, lernte hebräisch und wurde schließlich Madricha, Gruppenleiterin von jugendlichen Mädchen, die sie auf das Leben in Palästina vorbereitete. „1935 mit den Nürnberger Gesetzen wurde es für mich persönlich sehr ungemütlich in Breslau, da ich wegen meiner zionistischen Tätigkeit unter genauer Kontrolle der Gestapo stand“, berichtete die überzeugte Zionistin.

Die junge Frau zog nach Berlin und engagierte sich bei der „Jüdischen Jugendhilfe“. Nebenbei versuchte sie ihr Medizinstudium abzuschließen. 1936 erhielt sie die Zulassung zum Staatsexamen und als Medizinalpraktikantin: „Ich glaube als letzte Jüdin in Deutschland“, so Elly Freund. „Da mich kein öffentliches Krankenhaus mehr aufnahm, blieb ich im Jüdischen Krankenhaus Berlin bis 1937.“

Ein Jahr zuvor hatten Elly und Edgar geheiratet. Das Ehepaar lebte in Berlin mit vier Freunden in einer kibbuzähnlichen Wohngemeinschaft und versuchte, das Leben trotz der immer stärker werdenden Einschränkungen zu genießen. Edgar übernahm die Leitung der Jugendalija für ganz Deutschland und auch Elly war weiterhin in der zionistischen Bewegung aktiv. Zuletzt betreute das Paar eine Gruppe von 50 Jugendlichen auf der Hachschara Ellguth in Oberschlesien. Einer drohenden Verhaftung konnten sie nur durch Flucht in letzter Minute entgehen. Im September 1938 fuhren Elly und Edgar mit „je zehn Mark, einem kleinen Koffer und vier Kisten mit unseren Büchern“ zunächst in die Tschechoslowakei, wo sie auf ihre Zertifikate warteten, und schließlich nach Palästina. Dort kamen sie als erstes im Kibbuz Givat Chaim unter. „Das Gefühl in Israel zu sein, das damalige Palästina, war eines der schönsten Erlebnisse in meinem Leben. Endlich zuhause“, erinnert sich Elly Freund an die Ankunft im Land.

Anfangs arbeitete sie nicht als Ärztin, weil „man hat sich fast geschämt, ein Arzt zu sein, weil es zu viele gab“. In einem kleinen privaten Hospital in Hadera bekam sie eine zeitweise Anstellung als Krankenschwester. Schließlich zog das Paar nach Jerusalem, wo Edgar und Elly Freund für die Jugendalija tätig waren. Die Leiterin der Jugendalija, Henrietta Szold, entsandte die junge Frau im Januar 1940 nach Triest, um noch so viele Jungen und Mädchen wie möglich aus Deutschland herauszubekommen. Im Anschluss war Elly Freund im Internierungslager Atlit für die Kinder verantwortlich. Sie ließ eine Schule einrichten und bebaute mit ihnen ein Stück Land: „Es war eine herrliche Arbeit, weil man den Kindern das Leben erleichtern konnte.“

Erst 1943 erhielt die deutsch-jüdische Ärztin ihre Zulassung von den britischen Behörden. Sie arbeitete zunächst ein Jahr in Afula und dann am Hadassah Krankenhaus in Jerusalem. Dort schloss sie ihre Fachausbildung zur Kinderärztin ab. Elly Freund wurde nach Rosch haAjin geschickt, um in einem Auffanglager für jemenitische Einwanderer ein Kinderkrankenhaus zu leiten: „Anfangs starben dort fünf Kinder pro Tag“, erinnert sich Elly. Die Arbeit sei notwendig und wichtig gewesen, so dass sie nicht weggehen wollte, auch wenn sie ihre Familie nur alle drei Wochen sehen konnte.

Im Anschluss arbeitete sie bis zur Pensionierung als Kinderärztin bei der Kupat Cholim. Bei verschiedenen Fortbildungen in den USA und England spezialisierte sie sich zusätzlich auf Kinderpsychologie und -psychiatrie. Auch im Ruhestand war Elly Freund weiter ehrenamtlich als Kinderärztin tätig und arbeitete unter anderem in Kindergärten und Schulen in Aschdod. Nach dem Tod ihres Mannes Edgar im Jahr 1986 zog Elly Freund nach Bat Jam im Süden von Tel Aviv. Sie verstarb Ende Juni 2012 im Alter von 103.

Quellen:
Elly Freund, in: Jeckes. In Deutschland geborene Israelis erinnern sich, Interviewprojekt der Werkstatt der Erinnerung, http://www.werkstatt-der-erinnerung.de/jeckes/freund.html (März 2012).
Eduard Seidler, Jüdische Kinderärzte 1933–1945. Entrechtet. Geflohen. Ermordet, Freiburg 2007.
Andrea von Treuenfeld: In Deutschland eine Jüdin, eine Jeckete in Israel. Geflohene Frauen erzählen ihr Leben, Gütersloh 2011.